Wohnen nach 1990 in Potsdam: Das Kirchsteigfeld

Ist Wohnzufriedenheit planbar und steuerbar?

Richard Röhrbein

 

Ausgangssituation

Auf dem Hintergrund einer krisenhaften Wohnungsmangelsituation mit rund 10 000 nach­fragenden Haushalten hatte die Potsdamer Stadtpolitik - in Zusammenwirken mit dem Wohnungsbauministerium und einem Bauträger aus dem alten Westberlin - für rund 5 000 Wohnungssuchende (und 200 000 qm Bruttogeschossfläche für Gewerbe) seit 1990 das Projekt "Kirchsteigfeld" konzipiert und durchgeführt.

 

Workshopverfahren

Nach vorhergehenden Strukturplanungen, Fachgutachten, Programm- und Zielvorgaben wurde ein sogenanntes Workshopverfahren mit sechs teilnehmenden Architekturbüros durchge­führt:

 

            Burelli (Venedig)

            Eyl, Weitz, Würmle (Berlin)

            Rob Krier und Partner (Wien)

            Krüger, Salzl, Vandreike (Berlin)

            Moore, Rouble, Yudell (Santa Monica, Cal.)

            Nielebock und Partner (Berlin)

 

Entwurfsvorgaben

Die entwurfsleitenden Vorgaben der Stadt und des Bauträgers für den Workshop und die weitere Durcharbeitung waren aus historischen und aktuellen Wohnungsreformansätzen ausdrücklich darauf gerichtet, eine identifizierbare, positiv erlebbare und erinnerbare Wohnheimat mit menschlichem Massstab zu schaffen.

 

Das Ergebnis des Workshopverfahrens

Rob Krier und Christoph Kohl kamen auf den ersten Rang für ihr ausgesprochen räumliches Konzept einerseits und für den strategischen Ansatz, für eine parzellenhafte Differenzie­rung und für Hauseinheiten. Ihr städtebaulicher Entwurf wurde Grundlage der nun zügig durchgeführten Bauleitplanung, sowie der Landschafts- und Grünordnungsplanung vom Büro C. Müller und J.Wehberg. Diese Planung moderierte neben dem Stadtplanungs­amt die Freie Planungsgruppe Berlin.

 

Daten:

Grundstücksgrösse:                 ca. 587.000 qm

davon für Wohnen:                   ca. 198.000 qm

Wohneinheiten:                             2.500

Strassenland:                         111.600 qm

Öffentliches Grün:                    33.700 qm

GFZ                 zwischen 0,6 und 1,2, im Mittel 1,0

Höhenentwicklung       max 4 Geschosse mit Differenzierung und Ausnahmen

 

Landschaftliche Einbindung:

mitgestaltbarer Aussenwohnraum

Durchgrünung des öffentlichen Raumes

 

Staatliche Förderung / Finanzierung: z.T. sozialer Wohnungsbau, z.T. vereinbarte Förderung

 

Planungsbeginn                      1990/91

Fertigstellung                     300 WE / 1994

Letzter Bauabschnitt:             1996

Investitionssumme                          ca. 2,5 Milliarden DM

 

Von der Bereichsdifferenzierung zur Hausindividualität

Aus dem zu Beginn in Aussicht gestellten Beteiligungsansatz von sechs Büros wurden tat­sächlich sehr viel mehr. In der Erscheinung sind es "ganz viele", denn jedes benachbarte Haus ist von einem anderen Architekten. Diese Individualität der Einzelhäuser wird durch den städtebaulichen Rahmen, vor allem aber durch den hochwertigen Bewuchs, das quali­fizierte Landschafts- und Gartenkonzept (C. Müller, J Wehberg) sowie das explizite Farb­konzept (Beratung Spillmann/ Röhrbein) zusammen gefaßt.

 

Wohnzufriedenheit

Im Kirchsteigfeld wohnen heute fast ausschliesslich Potsdamer. Viele von Ihnen kommen aus der "Platte" vor der Modernisierung. Sie fanden hier höherwertige qualitative Angebote als die aus Mangelzeiten hervorgegangenen Lösungen quantitativer Versorgung der Indust­riegesellschaft. 10 000 Haushalte suchten 1990 eine Wohnung in Potsdam. 7 500 Woh­nungen wurden in Potsdam neu gebaut. Das Kirchsteigfeld ist hier mit rund 2 500 Wohn­einheiten beteiligt. Es ist weiterhin das grösste verwirklichte Wohnungsbauvorhaben in Potsdam. Es hat ganz wesentlich dazu beigetragen, die Wohnungskrise aus der Zeit vor 1990 zu bewältigen.

 

Richard Röhrbein

Stadtbaudir.i.R. Potsdam

 




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