22.07.2005
Protokoll zum 20. Gesprächsabend im
Architektursalon am 22.07.2005
Max Bächer: Baukultur durch Wettbewerbe?
„Baukultur ist in, man wäscht sich wieder!" - so beginnt Max Bächer
seinen Vortrag im Kasseler Architektursalon, mit dem heute die Reihe über
Baukultur abschließt. Das Scheitern der Bundesstiftung Baukultur begrüßt
er ohne Schadenfreude, denn das Pferd sei von der falschen Seite aus aufgezäumt
worden. Eine von oben verordnete Förderung der Baukultur entarte zwangsläufig
zu einer Machtfrage zwischen unterschiedlichen Ideologien und politischen
Einstellungen, wie ja alleine schon die Berliner Diskussion um die „richtige"
Architektur zeige. Baukultur könne man nicht befehlen oder verordnen.
Sie wachse von unten aus der Basis des sozialen Bewusstseins. Dort seien
die Ansatzpunkte für alle Initiativen zu ihrer Förderung. Im übrigen
könne sich der Standard der Baukultur in Deutschland durchaus sehen
lassen, sofern noch Architekten für sie verantwortlich seien.
Der Begriff „Baukultur" sei jedoch zu einem Begriff degeneriert, den jeder
mit einem anderen Inhalt zu interpretieren suche. Muss man denn einen komplexen
und für jeden verständlichen Begriff erst zerstören, um ihn
zu verstehen? „Baukultur ist die Kultur des Bauens" Das könnte eigentlich
reichen, meint Bächer. Daneben war die Architektur zu allen Zeiten die
Konkubine der Macht, weshalb es müßig sei, sich darüber zu
streiten, was der Einzelne darunter verstehe. Baukultur war stets ein Spiegel
der Gesellschaft, aber keine Stilfibel, sondern ein sozialer Prozess. Max
Bächer stimmt nicht in die Kritik an der deutschen Architektur ein,
die man allerdings weder an den trostlosen Investorenbauten, noch an den
wenigen Highlights der internationalen Architektur messen dürfe, sondern
an den hervorragenden Ergebnissen, die landauf, landab in den verschiedensten
Regionen verbreitet sind. Vielmehr müssten wir uns besser darstellen
und die Gesellschaft anhand von Ausstellungen, Wettbewerben, Veranstaltungen
und örtlichen Prämierungen besser informieren.
In seinem Vortrag zeigte sich Max Bächer als engagierter Vertreter des
Architektenwettbewerbs und zugleich auch als dessen scharfer Kritiker. Er
erinnerte an den sportlichen Wettbewerb der antiken Olympiaden, bei denen
auch Dichter prämiert wurden, an den Sängerwettstreit auf der Wartburg,
an viele Meisterleistungen der Architektur, die aus Wettbewerben bis zum
heutigen Tag hervorgegangen seien. Immer sei es dabei um die schönsten
Bauwerke gegangen, bei denen sich gestalterische, funktionale und technische
Qualitäten innerhalb eines entsprechenden Kostenrahmens zu einem Ganzen
verbunden hätten. Der Wettbewerb war von jeher die friedliche Konkurrenz,
um sich mit anderen zu messen und diente der Fortbildung und Schärfung
des Werturteils und der persönlichen und öffentlichen Meinungsbildung.
Allein schon damit leiste der Architektenwettbewerb einen grundsätzlichen
Beitrag zur Baukultur. Dass deswegen die öffentliche Ausstellung sämtlicher
eingereichten Arbeiten ein unverzichtbarer Bestandteil des Wettbewerbes sei,
hätten offensichtlich manche Wettbewerbsausschüsse der Architektenkammern
nicht begriffen, da es immer häufiger vorkomme, dass mit deren Billigung
nur die prämierten Arbeiten ausgestellt würden oder gelegentlich
sogar darauf verzichtet werde.
Überhaupt sei der Wettbewerb auf dem besten Weg, kaputt gemacht zu werden:
Immer stringentere Bindungen, überhöhte Forderungen, unwürdige
Honorierung der kulturellen Leistung, vor allem aber Bürokratisierung
und eigenmächtige Verschärfung der Verfahren durch die Kammern
selbst, Auswahlverfahren zu ungunsten jener Teilnehmer, die von vornherein
ausgeschlossen werden. Dies gelte besonders für die jungen Architekten,
für die man dann als Gnadenakt noch ein Plätzchen bereithält
und einfach ignoriert, dass deren Anteil unter den Gewinnern bis vor längerer
Zeit unabhängig von deren Erfahrung erstaunlich hoch war. Der junge
Architekt. der 1890 den Preis für das riesige Gebäude des Reichsgerichts
in Leipzig gewann, hatte noch nie zuvor ein Haus gebaut . Wo bleibt denn
heute die vielgepriesene Chancengleichheit, fragt Bacher, wenn einer erst
einmal drei Schwimmbäder gebaut haben muss, bevor er überhaupt
sein erstes bauen darf ?
Er lässt das Hindernis der hohen Teilnehmerzahlen nicht gelten, da der
Stufenwettbewerb ja eine qualifizierte Vorauswahl ermögliche, wenn nicht
schon in der ersten Stufe die Leistungen der zweiten erwartet würden.
lm übrigen waren Wettbewerbe mit ein paar hundert Teilnehmern, wie z.B.
beim Völkerbundspalast in Genf, früher keine Seltenheit. Es ist
eben nur bequemer, den Jurys vorzuhalten, solche Massen könnten gar
nicht geprüft werden, oder von der Ausbeutung der Architekten zu reden.
Es bleibe schließlich jedem selbst überlassen, ob er sich an einem
Wettbewerb beteiligen wolle oder nicht. Nur müssten Ausschreibungen
endlich wieder von unnötigen Leistungen, die oft erst von der Vorprüfung
gefordert würden, befreit werden.
Diskussionen über Wettbewerbe gingen allerdings oft von falschen Voraussetzungen
und mangelnden Kenntnissen aus. Nirgends stand geschrieben, der Auslober
müsse den 1.Preisträger beauftragen. Er hat die Wahl zwischen den
Preisträgern und richtet sich bei einer qualifizierten Empfehlung meist
danach. Es komme es immer häufiger vor, dass Preisgerichte von einer
Empfehlung Abstand nehmen, nur damit der Auslober bereit sei, einen Wettbewerbs
durchzuführen. Ein Preisgericht kann durch sein Urteil nicht die demokratischen
Beschlussfassungen oder den Bürgerwillen unterlaufen. Aber umso verpönter
sei es daher, mehrere gleiche Preise zu vergeben, um sich damit als besonders
demokratisch darzustellen. Dann habe das Preisgericht seine Aufgabe einfach
nicht bewältigt.
In der nachfolgenden Diskussion wurden Investorenwettbewerbe, Bewertungskriterien,
Workshops, der Direktauftrag und die Bedeutung der Architekturtheorie angesprochen.
Der Redner bekannte sich dazu mit der Einschränkung: "Mit Mehl kann
man nicht säen!"
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