04.06.2004



Protokoll zum 12. Gesprächsabend im Architektursalon am 4.6.2004

Richard Röhrbein:

"Das Außen wird zum Innen"

Le Corbusiers Konzept des inneren Außenraumes

Nach einer Einführung zur Person des Referenten durch Michael Krauss beginnt Richard Röhrbein seinen Vortrag - unter Bezug auf das Thema des Architektursalons - mit einigen Worten über den architektonischen Raum, ein Thema, so alt wie die Architektur selbst. Zeiten, in denen mehr über Raum gesprochen wird, wechseln sich mit anderen ab, in denen Not und Mangelbewältigung so sehr im Vordergrund stehen, dass sich der Raum vor lauter Flächenansprüchen quasi „verflacht“. Im Barock hat der Raum eine stärkere Rolle gespielt, aber auch die 20er Jahre sprachen über Raum, wenn auch mehr im funktionellen und ökonomischen Sinne. Welche Bedeutung hat der Raum heute, manche sprechen von einer stärkeren Verräumlichung?

Es folgt dann eine erste Annäherung an das Thema mit einem Zitat aus der Veröffentlichung von Elisabeth Blum "Le Corbusiers Wege", u.a. über die Villa La Roche (in: Bauwelt Fundamente 73). Um das ästhetische Moment etwas näher zu beleuchten, zeigt Röhrbein einige Dias aus der Villa, die er vor etlichen Jahren gemacht hat, und kombiniert sie mit Zeichnungen aus dem Buch von Elisabeth Blum. „Dieses Haus wird also so etwas wie eine Architekturpromenade sein.“

Hervorzuheben ist die Bedeutung der Malerei für Le Corbusier, der täglich bis 13.oo Uhr malt und dann erst ins Büro kommt. Hervorzuheben ist generell die Bedeutung der Kunst für seine Raumerfindungen. Le Corbusier entwarf große Räume für Künstler, Maler, Bildhauer und Theaterleute, Häuser für Aristokraten und Intellektuelle. Der Raum ist selbst Kunstelement. Große Bedeutung kommt der Dreidimensionalität zu. Seine Stadt für 3 Millionen (1922) ist geplant für die neue Schicht der Angestellten.

Es folgt ein Rückblick auf Schinkel und seine Skizze für ein Landhaus auf Sizilien: Dort findet sich eine große Pergola als schon sehr konkrete Vision für das "Aussenhaus", wie er es später in Form einer großen Laube am Hofgärtnerhaus bei den römischen Bädern in Potsdam zusammen mit Persius entworfen hat, einem der ersten Beispiele für den Begriff Außenraum oder auch Außenwohnraum, wie wir ihn heute sehen. Le Corbusier hat diese große Laube bei seinem Besuch in Berlin aufgenommen. 1907 besucht er Italien, dabei u.a. die Kartause von Ema. Er sieht in diesem Modell die "Lösung der Arbeiterfrage", gemeint ist die Arbeiterwohnungsfrage, er findet die Formel "Revolution oder Architektur". Eine weitere Reise bringt ihn 1911 in den Orient und nach Griechenland. In Berlin arbeitet er ½ Jahr bei Peter Behrens, wo in der Zeit auch Gropius, Meyer und Mies arbeiten. In Wien bei Loos, Hoffmann, Wagner. Hinzuweisen ist auch auf Heinrich de Fries und sein Laubenganghaus mit einer zweigeschossigen Halle.

Die weiteren Ausführungen, in deren Verlauf sowohl die bekannten Wohnungsentwürfe von Le Corbusier wie auch die von Richard Röhrbein in Berlin und Potsdam initiierten Planungen mit zahlreichen Abbildungen illustriert wurden, sollen hier nicht im einzelnen protokolliert werden, da sich der ausführliche Text des Vortrages auf der Seite "Texte" unserer Homepage wiederfindet.

Um 21.00 Uhr Pause, danach folgte die

Diskussion:

Die erste Frage formuliert eine Gegenthese: Sei nicht zu befürchten, dass eine so starke Konzentration auf den Innenraum, wie man sie sowohl in den vorgestellten Beispielen von Le Corbusier erkennen könne wie auch in den Berliner Modellen, eine zu starke Introversion, ein Abschneiden vom Aussen und von der Öffentlichkeit zur Folge habe? RR betont, dass diese Antithese außer acht lasse, worum es bei dem vorgestellten Wohnmodell eigentlich gehe: Um ein bisschen mehr an Raum gehe es zunächst nur, ein mehr an dritter Dimension sollte es sein für mehr Freiheit im Wohnen. Etwas deutlicher formuliert könnte man aber auch sagen, dass es sich letztlich um eine Alternative zum Einfamilienhaus auf der Wiese am Stadtrand, um eine Alternative "auf der Etage" handele. Ein weiterer Einwand spricht die sehr geringe Raumhöhe bei Le Corbusier an: 2,26 sei als Norm zwar zu niedrig, doch die doppelte Höhe schaffe vielleicht die notwendige Kompensation. RR verweist auch darauf, daß die von ihm gezeigten Wintergärten nicht zur GFZ zählen sollten. Ganz grundsätzlich wird dann noch einmal die Frage nach der Relevanz des doppelt-hohen Wohnraums gestellt: Diese Wohnform sei nicht für alle gut, es müsse auch andere geben. Die kontroverse Diskussion zu dieser Frage führt sodann weiter zu einer allgemeinen kritischen Kommentierung der Thesen von Le Corbusier, wie man sie in seinen Schriften findet: Dieser habe, wie eingeworfen wird, ein neurotisches Ordnungssystem vertreten und sei überhaupt in seinen Äußerungen ein reichlich diktatorischer Ideologe gewesen. RR: Keine Verallgemeinerung bitte! Die 20er Jahre mit ihrem Fordismus sind vorbei. Während die damalige Zeit durch einen dramatischen Wohnungsmangel gekennzeichnet war, der entsprechende Programme forderte, haben wir heute andere Probleme wie Wohnungsleerstand und schrumpfende Städte. "Corbu ist nicht da, wir sollten über die aktuellen Vorschläge reden." Im übrigen stellten diese ja selbst nur ein kleines Marktsegment dar. Gefragt wird auch nach Temperatur und Heizung in dem "Grünen Zimmer". Dazu RR: Wenige Tage im Jahr sei die Raumnutzung insofern problematisch; wichtig sei vor allem eine Thermoverglasung und etwas gegen Blendung. Im weiteren Verlauf der Diskussion darf auch ein Literaturhinweis nicht fehlen: Bourdieu, Der Einzelne und sein Eigenheim. Und noch eine Empfehlung zum Wohnkonzept: Für alle das Gleiche, das schreckt ab. Aber auch eine Befürchtung wird geäußert: Nicht jeder kann mit freien Grundrissen umgehen. Schließlich noch eine Bemerkung zu den Fallgruben der Statistik, die regelmäßig auf die steigende Zahl von Single-Haushalten hinweist: Viele Einpersonenhaushalte wohnen mit Partnern zusammen, die Statistik täuscht!

Ende 22.00 Uhr






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