Neustrukturierung des Bereichs:
Cafe Rosenhang und Brüder-Grimm-Museum

Berthold Penkhues
Vortrag vor dem Architektursalon Kassel
18. Juni 2004
Erläuterungstexte zu den beiden Projekten



Café Rosenhang


Es gibt wohl seit langem kein Bauvorhaben in der Stadt Kassel, das so positiv von der Bevölkerung aufgenommen worden ist, wie der beabsichtigte Neubau des "Café Rosenhang" an Kassels "Schönster Aussicht". Die Einmaligkeit der städtischen Topographie, als Teil eines Gesamtensembles, war für die Bürger zu allen Zeiten ein beliebter Ort zum promenieren und verweilen.

Im Rahmen dieses Wettbewerbs besteht nun die Chance, dem Cafémythos eine neue Gültigkeit zu verleihen. Dabei ist es aus heutiger Zeit wichtig zu verstehen, dass dieser bauliche Eingriff in die Topographie äußerster Sensibilität bedarf. Das einzigartige Gartendenkmal "Staatspark Karlsaue" darf dabei keine empfindliche Störung erfahren.

Der hier vorliegende Entwurf versucht daher, Landschaft und Architektur zusammenzubringen. So treten im wesentlichen Elemente der Gartenbaukunst auf, wie Mauern, Terrassen und Pavillon, aus denen ein architektonischer Organismus entsteht, der die funktionalen Vorgaben des Auslobers beinhaltet. Natur und Architektur werden somit in Einklang gebracht, um die prächtige Ensemblewirkung als Ganzes nicht zu stören.

Die Verfasser verzichten bewusst auf eine 3-geschossigkeit, um dem Gebäude unterhalb des Straßenniveaus im Hangbereich Horizontalität zu verleihen. Das hat auch zur Folge, daß die innere Organisation zu leistungsfähigeren Grundrissen führt. Das architektonische Bild des Baukörpers aus dem Blickwinkel der "Schönen Aussicht" aber wirkt wie ein schwebender Gartenpavillon im Landschaftsraum.

Die Baukonstruktion basiert auf einem modularen Netz und ist mit Fertigteilelementen schnell und kostengünstig zu erstellen. Auch der von der "Schönen Aussicht" erkennbare Pavillon wird aus bekannten Industriebauelementen leicht und ökonomisch erstellbar sein.

Die Orientierung des Baukörpers folgt aber nicht nur städtebaulichen Überlegungen im Zusammenhang mit einer schlüssigen Idee für den Ort und seine Umgebung, sondern berücksichtigt auch in idealer Weise energetische Aspekte. Der Vorschlag wäre hier zum Beispiel eine Gaszentralheizung mit Lüftungsanlage zur schnellen Aufheizung. In der Lüftungsanlagen ist aber auch eine Wärmerückgewinnung integriert.

Ein Großteil des Gebäudes ist eingegraben und im Erdreich gut isoliert und zusätzlich stark gedämmt. Dach und Boden sind ebenfalls mit einer starken Wärmedämmung versehen. Der verglaste Bereich führt zur Wärmegewinnung und ist gegen Wärmeverluste mit hochwärmedämmenden Gläsern ausgestattet. Durch diese Maßnahmen entstehen geringe Kosten des Gebäudebetriebes. Glas ist ein dauerhaftes Material mit geringen Wartungskosten gegenüber Putz, Holz, etc.

Zusammenfassend läßt sich sagen, dass mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, in der vorgeschlagenen Konzeption des eingegrabenen Baukörpers, sowie mit hochwärmedämmenden Gläsern als Fassade bis zu 80 % der Heizkosten im Vergleich zu einem herkömmlich hergestellten Gebäude nach Wärmeschutzverordnung eingespart werden können. Die Lüftungsanlage gewährleistet zudem eine optimale Luftqualität und damit ein hohes Wohlbefinden der Gäste.







Grimms Welten

oder als Bellevue einen Bruder bekam

Konzeption

Im Rahmen der Kulturhauptstadt-Bewerbung verdichtet sich die Möglichkeit, dass das Lebenswerk der Brüder Grimm nun eine angemessene Repräsentanz an exponierter Lage Kassels erhält. Neben Bach und Luther gehören gerade auch die Brüder Grimm zu den großen Deutschen, die im Ausland großes Ansehen genießen. Besonders unsere Freunde aus dem fernen Osten machen sich Jahr und Tag auf Reisen, um an den authentischen Orten jener Wirkungsstätten den Genius Loci zu erfahren. Um so unverständlicher daher die Tatsache, dass die Deutschen selbst es bis heute nicht geschafft haben, dem Lebenswerk der Grimms einen angemessenen Rahmen in baulicher Form zu verleihen.
 
Der hier vorliegende Entwurf ist daher ein Versuch, das Areal am Palais Bellevue stadträumlich neu zu ordnen und in diesem Zusammenhang die Wünsche der Brüder-Grimm-Gesellschaft baulich zu manifestieren. Das Palais Bellevue steht an der Schönen Aussicht, die einst die vornehmste Adresse Kassels war. In diesem Gebäude haben die Brüder Grimm einige Jahre ihres Lebens als Bibliothekare und Erzieher gearbeitet. Dieses Gebäude und das Ensemble als Ganzes ist geradezu ideal für den Ausbau einer zentralen, internationalen Museum- und Forschungsstätte. Dem auf einem quadratisch basierenden Grundriss entwickelten barocken Palais wird ein dem Volumen nach ähnlicher Baukörper gegenübergestellt, der gleichzeitig einen klaren räumlichen Abschluss zur Frankfurter Straße bildet. Im Dialog dieser aufeinander abgestimmten Baukörper werden tradierte Themen der architektonischen Bildhaftigkeit visualisiert. Die beiden objekthaft wirkenden Gebäude sind über eine große Ausstellungsebene im Untergeschoss miteinander verbunden und ermöglichen einen den Themen vorgegebenen Museumsrundgang. Alle weiteren Nutzungen entsprechen den funktionalen Zusammenhängen, die sich aus der Fragestellung dieser Bauaufgabe ergeben. Das Café Rosenhang bleibt am alten Standort und könnte im Untergeschoss den großen Veranstaltungssaal aufnehmen, der den einzigartigen Blick in die Auelandschaft gewährt.

Ausstellungskonzept
Die wichtigsten Bereiche des Schaffens der Brüder Grimm werden in drei thematisch und inszenatorisch unterschiedlichen Bereichen anschaulich dargestellt. Im Mittelpunkt aller Bereiche steht immer das auratische Objekt. Durch unterschiedliche Vertiefungen innerhalb der Ausstellungsbereiche werden die Themen so aufbereitet, dass sie sowohl dem interessierten Laien, als auch dem Fachmann Zugang zum Werk der Brüder Grimm bieten. Der Einstieg in die Ausstellung erfolgt durch einen Raum, der das politische Wirken der Brüder Grimm ins Zentrum stellt. Dieser Raum stellt die zentralen Fragen, die Antrieb für das Lebenswerk der beiden Universalisten waren. Er verteilt in einzelnen Bereiche der Ausstellung, die sowohl separat als auch in einem durchgehenden Parcours begangen werden können:

Märchenwelten
Die Märchenwelten zeigen die umfangreichen Bestände an originalen Büchern und Illustrationen. Grimms Märchen werden aber auch als begehbare Bühnenbilder inszeniert, die den Besucher durch Hörspiele, animierte Illustrationen und Scherenschnitte in die Welt der Märchen eintauchen lassen.

Sprach- und Literaturforschung
Der zweite Ausstellungsbereich ist der Sprach- und Literaturforschung gewidmet. Die Ausstellung versucht neben der Präsentation von Originaldokumenten die Systematik und Komplexität von Sprache in interaktiven Installationen auf spielerische Art verständlich zu machen.
 
Leben und Wirken der Brüder Grimm
Das „Leben und Wirken der Brüder Grimm“ zeigt eine chronologische Darstellung Ihrer Biografie im Kontext zeitgeschichtlicher Ereignisse. In Kabinetten am historischen Ort im Palais Bellevue präsentieren sich zeitgenössische Objekte, Möbel und Inventar. Durch raumgreifende grafische Reproduktionen historischer Schauplätze werden die Originalobjekte rekontextualisiert.

Wechselausstellungen
Ein flexibel nutzbarer Wechselausstellungsbereich bietet die Möglichkeit das Ausstellungsprogramm durch spezifische Themen zu ergänzen.

Architektur: Penkhues Architekten, Kassel
Landschaftsarchitektur: Büro Kiefer, Berlin 
Ausstellungsgestaltung: Atelier Brückner, Stuttgart






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